George R. R. Martin:
Das Lied von Eis und Feuer

Artikel von Klaus Erichsen, erschienen im Magira 2002, dem Jahrbuch zur Fantasy.

Ist es nicht eher abschreckend, wenn man diese gefällige Kollegenbelobigung auf dem Klappentext eines Buches findet: »Das vielleicht beste Fantasy-Epos überhaupt« Marion Zimmer Bradley? Warum MZB diesmal Recht hat und wer dieser Herr George R.R. Martin ist, das soll dieser Artikel erläutern.

Das Lied von Eis und Feuer

»Das Lied von Eis und Feuer« (»E&F«) so heißt das bislang längste Werk von Martin, eine Fantasy-Saga die an Spannung und Komplexität kaum zu übertreffen ist. Drei Romane von sechs sind bislang erschienen und der Autor versichert, er würde nicht der Versuchung erliegen, weitere folgen zu lassen. In Deutschland erscheint jeder Band in »bewährter Weise« als zwei Bücher, so dass es hierzulande zwölf Titel werden; dieser Trend setzt sich allerdings bei Band drei auch in den USA bei der Taschenbuchausgabe durch.
   Bei einer Einteilung in die Fantasy würde »E&F« wohl irgendwo zwischen Heroic-Fantasy und High-Fantasy anzusiedeln sein. Allerdings ist auch ein guter Schuss dessen enthalten, was man als historischen Roman bezeichnen würde, wenn es die Welt Westeros geben würde.

Die Welt Westeros und ihre Geschichte

Westeros heißen die beiden Halbkontinente oder auch die Sieben Königslande, deren Form ein wenig an Nord- und Südamerika erinnert. Doch mit der Form endet auch die Ähnlichkeit. Der südliche Teil scheint noch nicht am Äquator zu sein und obwohl bei Entfernungen von »tausenden von Meilen« gesprochen wird, so ist die Ausdehnung von Westeros nicht so groß wie die der amerikanischen Kontinente. Weiter im Osten liegen weitere Länder, über die man wenig erfährt, auch wenn eine der Hauptpersonen sich dort bewähren muss. In den ersten beiden Büchern (wenn ich über Bücher rede, beziehe ich mich auf die Originalausgabe von bislang drei Büchern) findet man eine Karte von Westeros, die leider nicht sehr exakt und detailreich den Kontinent zeigt. Erst in Band drei kommt eine über den östlichen Bereich hinzu, auf der aber die Orte der dortigen Handlung (Band eins und zwei) nicht zu finden sind.
   Früher waren es verschiedene Königreiche, die vor 300 Jahren von König Aegon dem Eroberer vereint wurden, und zwar mit dem Feuer seiner Drachen, die geschickt er als Kriegsmaschinerie nutzte. Dies geschah nach dem Ende von Valyria, einem verfallenen Imperium, über das man wenig erfährt, außer dass dort Stahl hergestellt wurde, der auch nach Jahrhunderten noch scharf ist. Die letzten Drachen starben von 150 Jahren und zu dieser Zeit hat auch die Magie die Welt verlassen. In dem Moment, wo der Leser in die Welt von »E&F« einsteigt, regiert Robert Baratheon unter dem Banner des Hirschen auf goldenem Hintergrund über ganz Westeros.
   Das Klima scheint anders zu sein als auf der Erde, auch wenn es nie genau erläutert wird. Es gibt normale Sommer und Winter und dann noch längere, unregelmäßige Perioden, die auch als Winter und Sommer bezeichnet werden. Aktuell gab es eine sehr lange Periode des Sommers, doch nun wird es wieder kälter, was viele aber nicht wahrhaben wollen. Mit dem Kommen des Winters verknüpft ist die Gefahr durch die Anderen, eine Gefahr die hinter der zyklopischen Mauer der Nachtwache eingesperrt ist und als Legende abgetan wird.
   Die Sieben Königslande werden so beschrieben, dass im Leser unwillkürlich Assoziationen zum Mittelalter aufsteigen. Es gibt Sers (Ritter) und Lords (Baron o. ä.) die sich in Turnieren messen, Könige regieren das Land usw. Es erscheint wie eine bunte Mischung aus den verschiedenen Zeitaltern Europas oder vielleicht sieht das europäische Mittelalter so aus, wenn man es von Amerika aus betrachtet. Religionen sind vorhanden, spielen aber keine sehr große Rolle. Man hat wenig Mühe, sich in dieser geschickten Melange zurechtzufinden. Vieles erscheint bekannt und doch ist genug Neues dabei, um die Neugier zu wecken. Überhaupt ist es ein Trick von Martin, die Dinge bekannt erscheinen zu lassen. Wenn man dann glaubt Bescheid zu wissen, ändert er die Spielregeln.
   Die neun Häuser, die alten sieben, das neue von Aegon und das neue von Baratheon, sind wohl gefüllt. Mehr als 500 Namen listen die Anhänge auf, in denen auch die Beziehungen der Ritter, der Könige und der Häuser untereinander verzeichnet sind. Wenn sich Ritter zum Kampf treffen, werden Personen und Wappen genannt, werden Anmerkungen zu Großtaten gemacht, zu Vorlieben und Abneigungen und zur persönlichen Geschichte. Auch der Sagenbereich ist wohl gefüllt, dort gibt es Legenden über historische Helden, über Ruhmreiche und Listenreiche, über legendäre Lieben und grausame Taten. Jede Stadt hat Geschichte und Geschichten, jeder Fluss, jeder Berg, einfach alles. Diese Vielfalt an Personen, Orten und Geschichten macht die Welt überaus interessant und lebendig, die manchmal auftretenden Probleme, Nebenpersonen zuzuordnen, nimmt man gerne in Kauf, wobei man die Bücher aber möglichst in einem Zuge durchlesen sollte.

Die Handlung

Die Handlung ist sehr komplex, sie wird hier nur angerissen.
   Robert Baratheon reist in den Norden nach Winterfell, zu seinem alten Freund Eddard Stark, der seine Rechte Hand werden soll, sein Stellvertreter. Robert und Eddard sind sich aus der Zeit verbunden, als sie gemeinsam den alten König Aerys II bekämpften, den man den Irren König nannte. Robert hat damals ein neues Königsgeschlecht begründet, die Baratheons. Eddard will diese »Ehre« nicht annehmen, aber sein Pflichtgefühl zwingt ihn dazu. So reist er mit dem König nach Kings Landing, der Hauptstadt, zusammen mit seinen zwei Töchtern, Sansa und Arya. Sein Bastardsohn Jon Snow geht zur Nachtwache auf die Mauer, während sein ältester Sohn Robb Winterfell übernimmt.
   Eddard muss sich in Kings Landing, in den Intrigen des Hofes zurechtfinden. Er bekommt zweifelhafte Hilfe von Varys dem Eunuchen und Littlefinger, dem Geldbeschaffer des Hofes. Derweil kümmert sich Eddards Frau Catalyn um Bran, seinen dritten Sohn, der von einem Turm fiel und seitdem im Koma liegt. Ein Attentat wird auf Bran verübt und Catelyn erfährt von ihrer Schwester, dass die vorherige Hand keines natürlichen Todes gestorben ist. Sie reist per Schiff nach Kings Landing, um Eddard zu warnen.
   Eddard findet heraus, warum die vorherige Hand sterben musste: Die Söhne des Königs sind blond und grünäugig, während alle Bastarde Roberts dunkle Haare und blaue Augen haben. Die Kinder sind nicht von Robert, sondern Cersei, die Königin, hat sie mit ihrem Bruder Jaime gezeugt. In seinem tiefen Drang nach Ehre warnt Eddard Cersei, derweil Robert auf der Jagd ist. Eddard plante, Robert zu informieren und Cersei soll vorher die Chance bekommen, den Hof zu verlassen. Doch Robert kehrt todkrank von der Jagd zurück, ein Keiler hat ihn schwer verletzt. Robert stirbt, aber sein Testament, in dem Eddard als Verwalter eingesetzt wird, erkennt der Rat nicht an, Eddard muss in den Kerker, derweil Machtkämpfe um den Thron entbrennen. Cersei ruft ihren zwölfjährigen Sohn Jeoffrey zum König aus und kann dies mit Gewalt durchsetzen. Eddards Tochter Sansa wird dazu gebracht, auf ihren Vater einzureden, so dass er Verrat gesteht, daraufhin soll er das Schwarz der Wache anlegen und gehen dürfen, doch Joeffrey, der Gefallen an der Macht findet, lässt Eddard töten.

   Im Reich entbrennt Krieg, der neue König wird nicht überall anerkannt. Robert hatte zwei Brüder, Renly und Stannis, von denen Stannis der ältere ist. Doch überall in Westeros wachsen Könige wie Pilze aus dem Boden. Robb, der älteste Sohn von Eddard wird zum König des Nordens ausgerufen, auf den Iron Islands ruft sich ein König aus und sowohl Stannis als auch Renly wollen die Krone für sich. Thyrion der Gnom, verkrüppelter Bruder von Jaime, wird die Rechte Hand und verteidigt Kings Landing. Blutigster Bruderkrieg nimmt seinen Weg und das, obwohl dem Reich auch Bedrohungen von außen drohen. Die Kriege können nicht enden, die Ritter sind in Ehre, Schwüren und Hass gefangen, in ihren Regeln, ihren Rittermechanismen.
   Im Norden regen sich die Wildlinge, Menschen die jenseits der Mauer leben. Doch auch die Anderen scheinen die Legenden zu verlassen: Tote werden durch magische Kräfte wiederbelebt. Die Nachtwache startet die größte Expedition seit Jahrhunderten, um das zu klären. 300 Mann stark zieht eine Heerschar los, darunter Jon, Eddards Bastard, der um seine Ehre zu behalten und treu zu sein, zu den Wildlingen überlaufen muss. Winterfell fällt, Bran wird zu einem Hautling, einem der durch die Augen von Tieren sehen kann.
   Im Osten versucht Daenerys Stormborn mit ihrem Bruder Viserys eine Armee aufzustellen. Sie ist die letzte Überlebende der Targyaren, die eigentliche Thronfolgerin nach Aerys. Sie wird von ihrem Bruder verheiratet, doch der Bruder und ihr Mann sterben, dafür schlüpfen Drachen aus uralten Dracheneiern, die sie als Mutter ansehen.

Und das ist die Lage in Westeros am Ende von Band drei: In blutigem, dummen Bruderkrieg verwickelt wird der Winter ignoriert, wird die Bedrohung durch die Anderen ignoriert, werden Daenerys und ihre Drachen ignoriert, wird ignoriert, dass die Magie wieder auf die Welt kommt.
   Zwischen Band drei und Band vier wird es wohl einen mehrjährigen Zeitsprung in der Handlung geben, sicherlich nicht zuletzt damit die Drachen sich etwas auswachsen können, so dass jeder der zweifelt, ob es sich lohnt in eine offene Serie einzusteigen, in den ersten drei Bänden einen abgeschlossenen Bereich finden wird.

Zu den Hauptpersonen

Die Handlung des Buches wird immer aus der Sicht einer Person geschildert, allerdings aus der dritten Person, so dass sich eigentlich parallel erzählte Handlungsstränge ergeben. Die erzählenden Personen wechseln im Laufe der Zeit, denn einige der Erzähler sterben oder sind nicht mehr an interessanter Stelle, dafür kommen andere hinzu. Zwei davon werden hier näher erläutert, sie sollen beispielhaft die Tiefe und Komplexität der Erzählung und der Figuren aufzeigen, die Martin ausgearbeitet hat.

Daenerys Stormborn

Das alte Targyarengeschlecht ist mit Aerys II nicht komplett ausgestorben. Viserys und seine Schwester Daenerys fliehen über die Meerenge in die Freien Städte und später weiter in den Osten. Viserys träumt von seiner Rückkehr nach Westeros und davon, dass sich dann das Volk erheben wird, um ihm auf den Thron zu helfen. Dafür verheiratet er seine Schwester mit Khal Drogo, einem der großen Stammesführer im Osten, eher ein Handel, denn Khal Drogo verspricht ihm dafür eine Krone aus Gold. Daenerys findet sich plötzlich in einer fremden Gesellschaft, in der sie sich neu zurechtfinden muss. Das gelingt ihr im Gegensatz zu Viserys, der wie ein König behandelt werden will, das aber nicht ist. Als er in einer heiligen Stadt der Drothaki ein Schwert gegen Drogo zieht, erhält er seine Krone: Ein Topf erhitztes Gold wird ihm über den Kopf gegossen.
   Daenerys erkennt das Viserys ein Narr war, dessen Hoffnungen sich nicht erfüllen können, und sie findet sich fast mit ihrer Rolle als Frau des mächtigen Khal Drogos ab. Doch dann wird ein Attentat auf sie verübt, im fernen Westeros bietet man eine Lordschaft für ihren Kopf. Khal Drogos Zorn erwacht und er fasst den Plan eine Armee zu sammeln, nach dem Grasmeer auch das giftige Meer aus Wasser zu überqueren und Westeros zu erobern. Seine Aussichten sind gut, er ist der Herr über einen mächtigen Stamm und auf seinem Weg Richtung Süden sammeln sich mehr als 100.000 Krieger um ihn, sein Sohn unter Daenerys Herzen soll der »Hengst sein, der die Welt besteigt«. Doch dann wird er verwundet und durch die Ränke einer Zauberin vor dem Tod bewahrt, doch er vegetiert nur noch zombiegleich dahin. Daenerys, die für diesen Zauber das Leben ihres ungeborenen Sohnes gab, tötet mit eigener Hand Khal Drogo, weil sie seinen Zustand nicht erträgt, woraufhin sein riesiges Heer sich in alle Himmelsrichtungen auflöst. Sie verbrennt den Khal und die Zauberin gleich mit. In der Hitze des Feuers werden die Steineier, die sie als Grabbeigabe hinzulegte, ausgebrütet, die Welt hat nun wieder Drachen.
   Mit der Rest des Stammes, der ihr geblieben ist, zieht sie weiter, um am Ende des dritten Bandes eine Sklavenarmee um sich zu scharen, die ihr zusammen mit den Drachen die Eroberung von Westeros ermöglichen soll.
   Daenerys ist eine interessante Figur, weil sie sich ständig weiterentwickelt. Sie ist zuerst der Spielball ihres Bruders, dann die selbständige Frau an der Seite des Khals, danach die Mutter, die ihr kleines Restvolk zusammenhält, um schlussendlich entschlossen nach der Krone eines Landes zu greifen, das sie gar nicht kennt, weil sie sehr jung war, als sie daraus fliehen musste.

Thyrion Lannister

Er ist der kleine verkrüppelte Bruder von Jaime, dem wunderschönen Ritter. Das Leben stattete ihn mit einer gehörigen Portion Zynismus aus und ließ ihn gleichzeitig ein großes Maul haben – beides Eigenschaften, die ihn im Blick seiner Umgebung nicht gerade liebenswerter machen. Am Anfang sehen wir ihm im Gefolge von Robert Baratheon, der Eddard Stark als seine Rechte Hand nach Kings Landing holen möchte.
   Thyrion bleibt länger im Norden, um sich die Mauer anzusehen, die die Nachtwache bewacht. Auf dem Rückweg trifft er auf Catelyn Stark, die ihn für den Verantwortlichen des Attentats auf ihren Sohn Bran hält. Catelyn nimmt ihn gefangen und bringt ihn auf die Eyrie, die Festung ihrer Schwester, wo er fast schon zum Tode verurteilt ist, als es ihm gelingt, eine Wendung herbeizuführen. Er fordert ein Duell, was ihm auch höhnisch gewährt wird, denn er ist kein großer Kämpfer. Doch er schafft es den Söldner Bronn siegreich für sich kämpfen zu lassen und so muss ihn Catelyn schließlich freigeben.
   Auf dem Rückweg durch die Mondberge schart er die dortigen Clans um sich, verwegene, blutgierige Gestalten, die ihm folgen, weil sie auf Beute und siegreiche Kämpfe hoffen. Er trifft seine Vater Tywin Lannister, der sich erste Schlachten mit Robb Starks Männern liefert. Tywin hofft seinen ungeliebten Sohn Thyrion loszuwerden, doch als der sich zusammen mit seinen Clansmännern in der Schlacht bewährt, wird Thyrion von ihm als Rechte Hand des jungen Jeoffry eingesetzt.
   Thyrion reist nach Kings Landing und organisiert die Verteidigung der Stadt gegen die selbst ernannten Könige Renly und Stannis Baratheon. Dabei schafft er sich wenig Freunde; auf der einen Seite arbeitet er ständig an den Strukturen der Stadt, um seine Position zu festigen, auf der anderen Seite hat das Volk nichts zu essen, was ihm als Hand angelastet wird. Dann kommt der Tag der Schlacht und Thyrion wird schwer verwundet, durch einen Axthieb im Gesicht verunstaltet. Er liegt wochenlang schwer verletzt im Bett, und als er endlich aufstehen kann, hat sein Vater die Position der Hand übernommen und ihm bleibt nichts von dem, was er sich aufgebaut hat.

Schlussbetrachtung zu »Das Lied von Eis und Feuer«

Welten in Bedrohung ist in der Fantasy seit Tolkien Standard. Ich kann es nicht mehr hören, wenn die Horden aus dem Norden, Süden, aus den Toren, aus dem Wasser, aus weiß ich was herausbrechen oder die »Uralte Gefahr« wieder erstarkt. Das kann zwar wunderbar in Szene gesetzt werden, wie der Film »Die Gefährten« beweist, aber als Film ist das neu, das erste Mal das wir das wirklich sehen. Warum ist diese Thematik in »E&F« aber interessant, warum erscheint mir persönlich diese Reihe als etwas was mir den »Glauben an die Fantasy« wiedergibt, woher kommt der ungeheure Spaß beim Lesen?
   Martins Westeros ist personenzentriert und hält an einer subjektiven Sicht fest. Die jeweilige Erzählperson weiß nicht immer alles, der Leser weiß oft mehr. Das erzeugt die Spannung, die Hitchcock in seinen Filmen »Suspense« nannte. Die Gefahren von außen sind auch da, aber wichtiger sind die Gefahren, die den Menschen drohen. Jeder seiner Erzählcharaktere ist wichtig, wenn er erzählt. Seine Sicht der Dinge gewinnt an Bedeutung. Man versteht warum Thyrion so handelt, wie er es tut. Man mag ihn vielleicht noch immer nicht, doch wenn er Menschen manipuliert, um seine Position zu festigen, dann kann man das akzeptieren. Solange Thyrion erzählt ... Wenn Daenerys versucht eine Armee aufzustellen um Westeros zu erobern, dabei mehrfach über Leichen geht und die Treue von Leuten ausnutzt, dann wünscht man ihr im Stillen Glück. Solange Daenerys erzählt ...
   Jede der Erzählcharaktere und viele Nebencharaktere haben eine Geschichte, keine Figur ist per se gut oder schlecht, keine ist eine Schablone. Jede hat eine Vergangenheit, hat eigene Träume und Vorstellungen. Diese persönliche Historie wird nicht dazu benutzt, die jeweiligen Taten zu rechtfertigen. Jaime ist immer noch der Königsmörder und arrogant über alle Maßen wenn man erfährt, warum er den König Aerys damals tötete. Sandor Clegane ist immer noch brutal und eigennützig, wenn man weiß warum sein Gesicht so verbrannt ist. Kennt man aber die Geschichte der Person, so versteht man deren Handlungen besser, das führt so manches mal zu Aha-Erlebnissen und man muss die Geschehnisse von vor zum Teil 600 Seiten neu werten.
   Dazu kommt das einmalige Erzähltalent Martins. Er hat seine Karriere als Autor von Kurzgeschichten begonnen und obwohl es sich bei »E&F« um Romane handelt, zerlegt er die Handlung in kurzgeschichtenartige Teile. Der formelle Aufbau gliedert die Romane in Kapitel, die fast immer die Merkmale einer Kurzgeschichte tragen. Viele von ihnen haben Pointen, die meisten kleinere oder größere Cliffhanger. So finden wir praktisch Kurzgeschichten, die sich zu langen Erzählungen um die Erzählpersonen verbinden, und diese Erzählungen wiederum bilden die Romane. Wenn ein Handlungsbereich sich zu einem der Höhepunkte erhebt, wie die Schlacht um Kings Landing, dann werden die Kapitel kürzer und betreffen nur noch die Personen, die gerade an dem Hauptgeschehen beteiligt sind, so dass hier die Handlung entsprechend straffer vorangetrieben wird als sonst.
   Eine weitere Komponente stellt der Tabubruch an den Regeln der Fantasy dar, den wir immer wieder finden. »Hauptpersonen sterben nicht, böse Taten werden gerächt, Ritter sind ritterlich, außer sie sind dunkel«, solche stillschweigenden Vereinbarungen zwischen Autor und Fantasyleser kennt jeder. Doch Eddard Stark, eine sympathische Figur die wichtig ist, aufgebaut über hunderte von Seiten, wird hingerichtet; man stelle sich dazu vor, Derrick würde in einer beliebigen Folge sterben und Harry löst an seiner Stelle den Fall. Viserys, der unglückliche Exilkönig von Westeros, wünscht sich eine Krone aus Gold, die erhält er auch, aber es ist geschmolzenes Gold, das ihm über den Kopf geschüttet wird. Das erzeugt Unsicherheit beim Leser und wirkliche Angst beim Lesen. Jeder kann sterben, keine Figur ist nötig um das Geschehen weiter zu führen, eben wie im richtigen Leben. So gibt es eine Stelle, wo Arya in einer Scheune zusammen mit den restlichen Bewohnern eines kleines Dorfes gefangen gehalten wird. Jeden Tag wird von Gregor Clegane, dem Reitenden Berg, einer ausgewählt und vom »Kitzler« zu Tode gefoltert. Beim Lesen beschleunigte sich mein Herzschlag; ich hatte ernsthaft Angst eine solche Stelle zu finden: »Am sechsten Tag zeigte Cleganes Finger auf Arya.«
   Romantische und heroische Aspekte werden in vielen Szenen, die ich als »Großen Moment« bezeichnen möchte, abgedeckt. Das sind die Stellen, die wir lieben, wo eine Person über sich hinauswächst, ihr wahres Potential selber entdeckt oder dieses vom Leser entdeckt wird. Wenn Gandalf auf der Brücke gegen den Balrog antritt, und ihm zuruft: »Du wirst nicht passieren«, dann ist das ein solcher großer Moment, zu ersten mal wird klar, Gandalf ist kein kleiner Hinterhofzauberer. An einer Stelle kämpft Syrio, der »Tanzlehrer« Aryas gegen die Häscher, die Arya gefangen nehmen sollen. Er zeigt zum ersten mal sein wahres Können, als er mit seinem Holzübungsschwert fünf Männer der Stadtwache besiegt und dann gegen den in Stahl gewandeten Ritter der Königswache antritt. Dass wir später nie wieder von ihm hören und annehmen müssen er ist tot, mindert den Effekt dieser Stelle nicht, das war sein Großer Moment.
   Was macht nun wirklich »E&F« so interessant? Viele der hier aufgeführten Eigenschaften der Romane treffen wir auch in anderen Erzählungen, wenn auch selten so gut und in dieser Fülle.
   Der Pseudohistorische Rahmen macht den Unterschied aus. Wir sehen über die Schulter von Martin, wenn wir die Bücher des »Liedes von Eis und Feuer« lesen und blicken mit ihm in eine andere Welt, können deren Historie verfolgen, die durch seine Erzählkunst und den Detailgrad wirkt, als wäre sie echt. Er hat die Fantasy um das erweitert, was die historischen Romane in den letzten Jahren so erfolgreich gemacht hat: Detaillierte Einblicke in eine Vergangenheit, wie sie gewesen sein könnte. Nur ist seine Historie deutlich prächtiger als das, was wir hier auf der Erde finden.

Fiebertraum

»Fiebertraum« ist ein Roman der sich des Themas Vampire annimmt, einige Jahre nach Anne Rices Erfolg mit »Interview mit einem Vampir«, der aber durchaus neue Aspekte zeigt.

Die Handlung

Abner Marsh ist ein Flussschiffer, der im Jahre 1875 fast alle Schiffe seiner Handelslinie verloren hat. Joshua York, ein mysteriöser Gentleman, macht ihm ein Angebot, das er nicht abschlagen kann: Marsh erhält Geld für ein neues Schiff und dafür wird York der zweite Kapitän und Partner von Marsh.
   Das Schiff wird gebaut, auf den Namen Fiebertraum getauft und Abner träumt davon, die Eclipse zu schlagen, das schnellste Schiff zu jener Zeit auf dem Mississippi. Es ist jene Zeit in der noch Träume auf dem Fluss existierten, jene Zeit die auch Mark Twain in seinen Romanen verewigte und sicherlich romantisch überhöhte, wie auch Martin es hier macht.
   Die Vampire sind keine übernatürlichen Wesen, sie scheuen weder Kreuze noch Weihwasser, sie gehören viel mehr einer anderen Rasse an, die sich vor vielen tausend Jahren von den Menschen abgespalten hat. Sie nennen sich selber »Das Volk der Nacht« und die Menschen nennen sie »Das Vieh«. Sie heilen übernatürlich schnell, sind stärker als Menschen und Sonnenlicht bringt sie in wenigen Stunden um.
   Joshua York sucht seine Rassegenossen, um sie vom uralten Fluch des Durstes zu befreien. Er hat eine Ersatzflüssigkeit entwickelt, die ihnen die Gier nach dem Blut nimmt. Wenn sie das denn wollen, denn auch Vampire müssen sich entscheiden.
   Die weitere Handlung ist in gewisser Weise Standard der modernen Vampirromane. Es gibt einen uralten Widersacher, Damon Julian, es gibt Machtkämpfe in der »Familie« und der Mensch Abner Marsh deckt nach und nach die Geheimnisse auf.
   Nicht Standard sind einige Handlungselemente wie z.B. ein Dinner das York im Sonnenlicht einnimmt, um die Mannschaft davon zu überzeugen, dass er kein Vampir ist. Er büßt dafür mit einem gewaltigen Sonnenbrand.

Schlussbetrachtung zu »Fiebertraum«

Der Roman ist gut lesbar und spannend, er bietet eine interessante Variante zum Vampirthema, gewürzt mit der romantischen Flussschifffahrt der Raddampfer. Es sind einige typische modische Elemente der Entstehungszeit enthalten, so z.B. der gute alte Lord Byron und seine Gedichte.
   »Fiebertraum« hat einige Elemente, die wir später in »E&F« wiederfinden. So werden ziemlich viele Namen genannt, auch die der unwichtigen Mannschaftsmitglieder. Weiterhin wird ein einige Male die Erzählperspektive gewechselt, wenn auch nur kurz. Und es ist ein historischer Roman, angereichert mit phantastischen Elementen – die Umkehr von »E&F«, dort finden wir einen phantastischen Roman angereichert mit historischen Elementen.

Die Kurzgeschichten

Mit den Kurzgeschichten begann die Karriere von Martin, sie stellten sozusagen das Übungsfeld dar, auf dem er seinen Fähigkeiten entwickelte. Er hat die Fähigkeit, in den 20 bis 50 Seiten, die für die Short-Story zur Verfügung stehen, eine glaubhafte Welt aufzubauen und einige seiner Geschichten sind herausragend, keine langweilt. Damit liegt er weit über dem Durchschnitt der Storyschreiber, wenn er auch nicht ganz an James Tiptree jr. herankommt. Oft findet man tragische und romantische Elemente, Außerirdische werden ausgerottet, Menschen vom Schicksal gebrochen, Außenposten stehen geheimnisvollen Bedrohungen entgegen, uralte Menschennachkömmlinge unter einer sterbende Sonne warten auf den Tod. Als Leser erwartet man of »die Lösung« in der Handlung, wird aber meist enttäuscht; das zeigt die Geschichten als Vorläufer der »Eis und Feuer« Romane.
   Etliche seiner Stories spielen in einem gemeinsamen Universum, in dem auch der Roman »Die Flamme erlischt« spielt. Dort sind die Menschen nur eine Rasse unter vielen und stehen in harter Konkurrenz bei der Besiedelung der Welten. Romantische Auflockerung erhält dies durch den Drang die »Inneren Welten« (näher am Milchstraßenzentrum) zu erreichen und durch die »langsame« überlichtschnelle Raumfahrt, in der Reisen z.T. Jahre dauern. Martin verfällt glücklicherweise nicht der Verlockung, dieses gemeinsame Universum zum Selbstzweck zu machen. Er nutzt es nur, um nicht jedes Mal wieder neue »weit entfernte Welten«, Mythen und Legenden der frühen Raumfahrt und andere Völker zu erfinden. Damit hat man als Leser genug Basisidentifikation; Martin bewegt sich aber zeitlich und räumlich völlig frei darin, verwendet den Rahmen nur, so scheint es, um Arbeit zu sparen.
   Die Storysammlungen von Martin sind heute nur noch im Antiquariat erhältlich, aber es lohnt sich, sie zu kaufen, wenn man sie aufstöbert. Und vielleicht macht der Erfolg von »E&F« die Neuherausgabe für einen Verlag interessant (zumal erst drei von sieben Kurzgeschichtensammlungen in deutsch erschienen sind).

Einige ausgesuchte Stories

Sandkönige

Diese Story war sehr erfolgreich, sie gewann 1979 sowohl den Hugo als auch den Nebula im Bereich Novelette und wurde für das Fernsehen verfilmt. Sie erzählt wie Simon Kress, ein reicher Müßiggänger, sich aus Langeweile bei der seltsamen Händlerin Jala Wo etwas neues kauft: insektenhafte Staatenwesen, die er in einem alten Aquarium ansiedelt. Diese Insektenähnlichen, genannt Sandkönige, sind ungewöhnliche Lebewesen, erzählt ihm die Händlerin, sie passen sich in ihrer Größe der Umgebung an, haben ein erstaunliche hoch entwickeltes Gemeinschaftsgehirn und sie führen Krieg gegeneinander. Das, und die Tatsache, das sie auf ihren Burgen das Gesicht abbilden, das man ihnen per Hologramm zeigt, überzeugt ihn. Er wollte schon immer gerne Gott sein.
   Simon spielt mit den Sandkönigen, verweigert ihnen die Nahrung, um sie zum Kämpfen zu bringen, zeigt ihnen zeitgleich ein Hologramm seines Gesichtes, um ihr Gott zu werden. Dann lädt er seine Freunde ein, präsentiert ihnen sein neues Spielzeug und startet eine Serie von Arenaspielen, in denen mitgebrachte Tiere gegen die Armee der Sandkönige antreten.
   Die Lage eskaliert, als er mit Cath'm Lane Streit bekommt, die seine Arenaspiele jenseits jeden guten Geschmacks findet. Dabei tötet er Cath'm und das Aquarium wird zerstört, so dass sich die Sandkönige befreien können. Drei der vier Stämme nisten sich im Haus und in dessen Nähe ein. Die mobilen Einheiten der Sandkönige wachsen und Simon wird klar, dass er ein tödliches Problem hat. Es entbrennt ein Kampf zwischen Mensch und heranwachsender Sandkönigsintelligenz, in dessen Verlauf zwei der vier Stämme vernichtet werden und Simon von der Maw der Sandkönige mental gezwungen wird, andere Menschen als Futter anzulocken.
   Am Ende verpuppen sich die Mobilen des dritten Stammes und Simon kann fliehen. Er ruft bei der Händlerin Jala Wo um Hilfe an, und sie erklärt ihm das die Sandkönige sich in die Erwachsenenform wandeln, in der sie der Umwelt optimal angepasst sein werden, immer ein Produkt dessen, was sie in der Jugendphase erlebt haben. Er flieht in die Wüste und wartet auf Jala Wo, die ihn abholen will. Dort wird er ein Opfer des vierten Stammes, dessen Erwachsenenform sein Gesicht trägt.
   Die Spannung der Geschichte erwächst auf zwei Ebenen. Einmal ist da der Kampf gegen die Mobilen der Sandkönige und gegen deren Maw, die mit ihren erwachenden Mentalkräften verhindert, das Simon fliehen kann. Sie können sich unglaublich variabel anpassen und erweisen sich am Ende als intelligent. Dieser Kampf ist spannend, es gibt diverse überraschende Wendungen, und als Leser schwankt man zwischen der Hoffnung, Simon können sich retten und der Schadenfreude für ihn, denn er hat die Sandkönige wirklich nicht gut behandelt.
   Aber dann ist da die zweite Ebene. Simon versucht sich als Gott. Er quält die Könige nach seinem Belieben, füttert sie nach seinem Belieben und spielt seine Arenaspiele mit ihnen. Dann entgleitet ihm »seine Schöpfung«, und am Ende wird er von ihr getötet, muss erleben, wie ihn die Mobilen des vierten Stammes, ausgestattet mit seinem Gesicht, in ihren Bau schleppen.

Ein Lied für Lya

Die Shkeen, eine uralte Rasse, die aber nie die Raumfahrt entwickelt hat, sind auf besondere Weise religiös. Sie setzen sich im Alter einen Parasiten auf den Kopf, der dort einige Jahre wächst, und lassen sich danach von der riesigen schleimigen Elternform des Parasiten bei lebendigem Leibe auffressen. Das wäre nur als Kuriosum interessant, würden nicht Menschen zu dieser Religion übertreten, und zwar mit allen Konsequenzen.
   Ein Mutantenpaar wird angefordert um diesen Fall näher zu untersuchen. Sie, Lyanna, genannt Lya, ist Telepathin, er, Robb, ist Empath. Bei den Untersuchungen lernen sie die Stadt kennen und haben auch Gelegenheit, sowohl Shkeen als auch Menschen zu »lesen«, die sich im Prozess des Gebundenen befinden, die Vorstufe mit dem Parasiten auf dem Kopf.
   Sie stellen fest, dass sich die Gebundenen in einer unglaublichen Weise gut fühlen und von Liebe zu allem erfüllt sind. Lya ist von dem was sie liest tief beeindruckt und erschüttert. Sie und Robb hielten sich immer für weniger einsam, für stärker verbunden als der Rest der Menschheit, weil sie sich mit ihren Kräften im Inneren berühren können. Doch sie muss feststellen, dass sie nicht wirklich besser dran sind, denn diese Verbundenheit ist nur vorhanden, wenn sie Sex haben, danach sind sie wieder allein wie alle anderen. Und das ist der weitaus größte Teil des Lebens. Doch die Gebundenen treten beim Gefressenwerden in eine dauerhafte Verbindung mit allen anderen Shkeen ein die jemals in den Parasiten eingegangen sind, sie sind niemals wieder alleine und in dieser Form unsterblich.
   Lyanna entscheidet sich dafür, gefressen zu werden, Robb hat Angst und folgt ihr nicht, auch wenn er ihr glaubt. Er will sich nicht mit diesem Gott vereinigen, der die Form eines rosa schleimigen Gallertklumpens hat.
   Die Geschichte ist religiös, (ein) Gott wird gefunden, aber nicht in der Form, wie wir ihn vielleicht erwarten, wie wir ihn akzeptieren können. Robb wählt die Einsamkeit, teilt sie für den Rest seines Lebens mit allen anderen Menschen, hofft vielleicht auf eine andere, menschlichere Form der Unsterblichkeit, weiß dabei aber dass er Lyanna und im Grunde auch sich selber verrät.
   Der Leser bleibt nach dem Lesen nachdenklich und mit sich selbst alleine.

Die Nacht der Vampire

Beim Nachlesen der Story hat mich Beklemmung ergriffen, zu nahe liegt sie an der (möglichen) Realität, obwohl sie von 1975 stammt.
   Eine Terroristengruppe hat Atombomber sowie Begleitjäger entführt und steuert sie gegen Washington, um dort Wasserstoffbomben abzuwerfen. Die im Titel benannten Vampire sind neuartige Jagdflugzeuge, von denen eine Staffel die Verfolgung aufnimmt. Die Handlung springt zwischen einem der Vampir-Piloten (der im wesentlichen zwischen Angst und Pflichtgefühl schwankt) und der allgemeinen Lage hin und her.
   Diese vielleicht spannende aber nicht originelle Ausgangssituation wandelt sich nach kurzer Zeit. Der Präsident der USA ruft zu einem Kampf gegen den Terrorismus auf und nutzt die Gunst der Stunde, um seinen stärksten Gegner zu stürzen und um weitreichende gesetzliche Maßnahmen vorzunehmen, die die Freiheit des einzelnen zugunsten des Staates beschneiden. Es wird für den Leser deutlich, dass der Überfall nicht echt war (es gibt kein Täterbekenntnis der terroristischen Gruppe, die Männer, die den Überfall begangen haben, werden ohne Identifikation begraben etc.), zumal es um Washington eine starke Laserverteidigung gibt (SDI vorhergesehen), die Bomber also keine Chance haben. Der Präsident hat diese Krise inszeniert, um seine politischen Gegner zu vernichten und seine Position zu stärken, bis hin zur diktatorischen Machtübernahme und der endgültigen Unterdrückung der Meinungsfreiheit.
   In Anbetracht der heutigen Weltlage, die auf eine »freiwillige« Überwachung jeden Bürgers zusteuert und wo sich Staaten entscheiden müssen, ob sie zur »Linie des Bösen« (was liest Bush abends?) gehören oder sich »bedingungslos solidarisch« erklären, erfasste mich ein starkes Unbehagen beim Lesen.

Schlussbetrachtung zum Werk

Das Werk von George R. R. Martin zeichnet sich durch einen starken Wechsel und durch eine permanente Veränderung aus. Im Laufe der Zeit hat er die meisten phantastischen Genres »probiert«: die SF, den Horror, die Fantasy. Man weiß auch nicht, ob er nach dem Erfolg von »E&F« nicht wieder wechselt, ich persönlich würde mir von ihm ein SF-Epos in der Welt von »Die Flamme erlischt« (in dem auch diverse Kurzgeschichten spielen) wünschen. Er ist immer auch ein humaner Autor, auch wenn er mit vielen Figuren nicht human umgeht, aber immer wieder finden sich sehr menschliche Ausführungen und Gedanken ohne erhobenen Zeigefinger.
   Die Spannung, die Erzählkunst und die wie mit leichter Hand hingeworfenen Detailfülle, zusammen mit Romantik und Menschlichkeit im Werk, machen ihn zu einem der lesenswertesten Autoren der Phantastik der Gegenwart.

Anhänge

Biografie

George R.R. Martin wurde als Sohn eines Hafenarbeiters 1948 in Bayonne, New Jersey geboren, er hat zwei Schwestern. Schon auf der High School hat er »Monster Stories« an die Kinder der Nachbarschaft verkauft und mit dramatischer Stimme vorgetragen. Seine erste professionell verkaufte Geschichte war »The Hero«, 1971, da war er 21 Jahre alt. Er beendete ein Studium im Bereich Journalismus. Später unterrichtete er Journalismus, richtete Schachturniere aus und schrieb halbtags SF. Er heiratete 1975 Gale Burnick, doch die Ehe dauerte nur bis 1979 und blieb kinderlos; 1979 wurde er auch Vollzeitschreiber. 1986 bis 1995 widmete er dem Bereich Dramaturgie im Fernsehen durch Mitarbeit an »Twilight Zone« und »The Beauty and the Beast«, erst als Ideenlieferant, später auch als Produzent. Heute lebt er in Santa Fe, New Mexico. Er gehört der »SF & Fantasy Writers of America« und der »Writers' Guild of America, West«. Die letzen Jahre hat er sich mit großem Erfolg der Langform der Fantasy gewidmet.

Bibliografie und gewonnene Preise

Das Werk von Martin erscheint im ersten Moment eher schmal, aber das täuscht. Einerseits sind lange nicht alle Werke in Deutsch erschienen, wobei ich persönlich besonders die Kurzgeschichten vermisse. Andererseits hat er einige Zeit mit Fernsehserien und Drehbüchern zugebracht, das entgeht auch leicht der Aufmerksamkeit. Das gerade von den Drehbüchern die meisten nicht realisiert wurden, heißt übrigens nicht, das sie schlecht sind, es ist durchaus normal Drehbücher nicht zu umzusetzen.
   Es ist nicht leicht, eine komplette deutsche Bibliografie zu erstellen, da einige seiner Stories als einzelne Geschichte in Sammlungen erschienen sind, die sich nicht in meinem Besitz befinden. Auf die Aufzählung mir bekannter Einzelstories in deutsch wurde daher hier verzichtet, um die Aufstellung nicht zu lang und unübersichtlich zu machen. Eine ziemlich komplette Übersicht der englischen Erscheinungen ist auf Martins eigener Website vorhanden, allerdings sind auch dort nicht die Einzeltitel der Storysammlungen aufgeführt und auch keine Einzelveröffentlichungen. So lässt sich leider nicht ohne weiteres feststellen, ob in den deutschen Ausgaben Stories fehlen, was aber zu erwarten ist und in der Zeit üblich war, als die Bücher in Deutschland aufgelegt wurden.

Romane und Kurzgeschichtenbände

Jahr Art Originaltitel Deutscher Titel (Jahr) Anmerkungen
1976 Kurzgeschichtensammlung A Song for Lya and Other Stories Die zweite Stufe der Einsamkeit Hugo Award, 1974 Novella für »A Song for Lya«
1977 Roman Dying of the Light Die Flamme erlischt  
1977 Kurzgeschichtensammlung Songs of Stars and Shadows Lieder von Sternen und Schatten  
1981 Roman Windhaven Kinder der Stürme Mit Lisa Tuttle. Im Deutschen in zwei Bänden.
1981 Kurzgeschichtensammlung Sandkings Im Haus des Wurms Sandkönige Im Deutschen in zwei Bänden. 1995 wurde die Story Sandkings als 2-stündiger Fernsehfilm verfilmt.
Nebula Award, 1979 Novelette: »Sandkings«
Hugo Award, 1979 Novelette: »Sandkings«
Hugo Award, 1979 Short Story: »The Way of Cross & Dragon«
1982 Roman Fevre Dream Fiebertraum  
1983 Roman The Armageddon Rag Armageddon Rock Balrog Award, 1983 Fantasy Novel
1983 Kurzgeschichtensammlung Songs the Dead Men Sing   Gigamesh (Spanish) Award, 1987: Best Collection / Anthology: Songs the Dead Men Sing
1985 Kurzgeschichtensammlung Nightflyers    
1986 Kurzgeschichtensammlung Tuf Voyaging    
1987 Kurzgeschichtensammlung Portraits of His Children   Nebula Award, 1985 Novelette: »Portraits of His Children«
1990 Roman Dead Man's Hand   Mit John J. Miller
1996 Roman A Game of Thrones Die Herren von Winterfell Das Erbe von Winterfell »E&F« 1
Im Deutschen in zwei Bänden.
1999 Roman A Clash of Kings Der Thron der sieben Königreiche Die Saat des goldenen Löwen »E&F« 2
Im Deutschen in zwei Bänden.
2000 Roman A Storm of Swords Sturm der Schwerter Die Königin der Drachen »E&F« 3
Im Deutschen in zwei Bänden.
2002 Roman A Feast for Crows ? »E&F« 4
2004 Roman A Dance for Dragons ? »E&F« 5


Drehbücher, Produktionsarbeiten und Editionen

Jahr Art Originaltitel Anmerkungen
1977 - 1986 Edition New Voices I – IV und andere Zusammenstellung von Storysammlungen
1987 – 1995 Edition Wild Cards I - XV Edition einer Shared World, teilweise eigene Stories, in den USA teilweise in Neuauflage.
Daedelus Award 1987
1986 Fernsehspiel 5 Episoden für »Twilight Zone«  
1987 - 1990 Fernsehspiel 13 Episoden für »Beauty and the Beast«  
    - Nightflyers - Remembering Melody Verfilmt, stammen wohl aus einer der nicht in Deutschland erschienen Kurzgeschichtensammlung
1991 Pilotfilm Doorways Pilotfilm für eine ABC Fernsehserie, auch auf Video erschienen.
1987 - 1994 Fernsehspiel 5 Folgen, diverse Serien Geplante aber nicht produzierte Fernsehspiele
1990 - 1995 Drehbücher 3 Drehbücher Keines davon wurde umgesetzt.

Zu den in der Tabelle genannten Preisen kommen noch etliche andere, die ich nicht zuordnen kann, z.B. den Hugo für eine Kurzgeschichte, die nicht in Deutschland erschienen ist. Mit »A Storm of Swords« hat er leider den Hugo in 1999 gegen »Harry Potter and the Goblet of Fire« verloren.
   Seine Werke sind in Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Schwedisch, Holländisch, Japanisch, Portugiesisch, Kroatisch, Russisch, Polnisch, Ungarisch, Finnisch und Esperanto erschienen, weitere Übersetzungen der »E&F«-Romane in andere Sprachen sind geplant, ebenso Neuauflagen seiner anderen Bücher. Ob Neuauflagen auch in Deutschland geplant sind, ist leider nicht bekannt.

Internetquellen


www.georgerrmartin.com

Seine eigene Website: Biografische und Bibliografische Daten, Links auf Interviews mit ihm, News über die aktuellen Bücher, was er gerade liest, welche Preise er gewonnen hat, T-Shirt Bestellmöglichkeiten und diverse Links zu Fanseiten.


www.westeros.org

Fansite: Organisiert den Webring »A Ring of Ice and Fire«, der momentan ca. 10 Sites miteinander verbindet, News, eine Sammlung mit allem möglichen zu der Fantasy-Saga.