Artikel von Klaus Erichsen, erschienen im Magira 2002, dem Jahrbuch zur Fantasy.
Ist es nicht eher abschreckend, wenn man diese gefällige
Kollegenbelobigung auf dem Klappentext eines Buches findet: »Das
vielleicht beste Fantasy-Epos überhaupt« Marion Zimmer Bradley?
Warum MZB diesmal Recht hat und wer dieser Herr George R.R. Martin ist, das
soll dieser Artikel erläutern.
Das Lied von Eis und Feuer
»Das Lied von Eis und Feuer« (»E&F«) so
heißt das bislang längste Werk von Martin, eine Fantasy-Saga die an
Spannung und Komplexität kaum zu übertreffen ist. Drei Romane von
sechs sind bislang erschienen und der Autor versichert, er würde nicht der
Versuchung erliegen, weitere folgen zu lassen. In Deutschland erscheint jeder
Band in »bewährter Weise« als zwei Bücher, so dass es
hierzulande zwölf Titel werden; dieser Trend setzt sich allerdings bei
Band drei auch in den USA bei der Taschenbuchausgabe
durch.
Bei einer Einteilung in die Fantasy würde
»E&F« wohl irgendwo zwischen Heroic-Fantasy und High-Fantasy
anzusiedeln sein. Allerdings ist auch ein guter Schuss dessen enthalten, was
man als historischen Roman bezeichnen würde, wenn es die Welt Westeros
geben würde.
Die Welt Westeros und ihre Geschichte
Westeros heißen die beiden Halbkontinente oder auch die Sieben
Königslande, deren Form ein wenig an Nord- und Südamerika erinnert.
Doch mit der Form endet auch die Ähnlichkeit. Der südliche Teil
scheint noch nicht am Äquator zu sein und obwohl bei Entfernungen von
»tausenden von Meilen« gesprochen wird, so ist die Ausdehnung von
Westeros nicht so groß wie die der amerikanischen Kontinente. Weiter im
Osten liegen weitere Länder, über die man wenig erfährt, auch
wenn eine der Hauptpersonen sich dort bewähren muss. In den ersten beiden
Büchern (wenn ich über Bücher rede, beziehe ich mich auf die
Originalausgabe von bislang drei Büchern) findet man eine Karte von
Westeros, die leider nicht sehr exakt und detailreich den Kontinent zeigt. Erst
in Band drei kommt eine über den östlichen Bereich hinzu, auf der
aber die Orte der dortigen Handlung (Band eins und zwei) nicht zu finden
sind.
Früher waren es verschiedene Königreiche,
die vor 300 Jahren von König Aegon dem Eroberer vereint wurden, und zwar
mit dem Feuer seiner Drachen, die geschickt er als Kriegsmaschinerie nutzte.
Dies geschah nach dem Ende von Valyria, einem verfallenen Imperium, über
das man wenig erfährt, außer dass dort Stahl hergestellt wurde, der
auch nach Jahrhunderten noch scharf ist. Die letzten Drachen starben von 150
Jahren und zu dieser Zeit hat auch die Magie die Welt verlassen. In dem Moment,
wo der Leser in die Welt von »E&F« einsteigt, regiert Robert
Baratheon unter dem Banner des Hirschen auf goldenem Hintergrund über ganz
Westeros.
Das Klima scheint anders zu sein als auf der
Erde, auch wenn es nie genau erläutert wird. Es gibt normale Sommer und
Winter und dann noch längere, unregelmäßige Perioden, die auch
als Winter und Sommer bezeichnet werden. Aktuell gab es eine sehr lange Periode
des Sommers, doch nun wird es wieder kälter, was viele aber nicht
wahrhaben wollen. Mit dem Kommen des Winters verknüpft ist die Gefahr
durch die Anderen, eine Gefahr die hinter der zyklopischen Mauer der Nachtwache
eingesperrt ist und als Legende abgetan wird.
Die Sieben
Königslande werden so beschrieben, dass im Leser unwillkürlich
Assoziationen zum Mittelalter aufsteigen. Es gibt Sers (Ritter) und Lords
(Baron o. ä.) die sich in Turnieren messen, Könige regieren das Land
usw. Es erscheint wie eine bunte Mischung aus den verschiedenen Zeitaltern
Europas oder vielleicht sieht das europäische Mittelalter so aus, wenn man
es von Amerika aus betrachtet. Religionen sind vorhanden, spielen aber keine
sehr große Rolle. Man hat wenig Mühe, sich in dieser geschickten
Melange zurechtzufinden. Vieles erscheint bekannt und doch ist genug Neues
dabei, um die Neugier zu wecken. Überhaupt ist es ein Trick von Martin,
die Dinge bekannt erscheinen zu lassen. Wenn man dann glaubt Bescheid zu
wissen, ändert er die Spielregeln.
Die neun
Häuser, die alten sieben, das neue von Aegon und das neue von Baratheon,
sind wohl gefüllt. Mehr als 500 Namen listen die Anhänge auf, in
denen auch die Beziehungen der Ritter, der Könige und der Häuser
untereinander verzeichnet sind. Wenn sich Ritter zum Kampf treffen, werden
Personen und Wappen genannt, werden Anmerkungen zu Großtaten gemacht, zu
Vorlieben und Abneigungen und zur persönlichen Geschichte. Auch der
Sagenbereich ist wohl gefüllt, dort gibt es Legenden über historische
Helden, über Ruhmreiche und Listenreiche, über legendäre Lieben
und grausame Taten. Jede Stadt hat Geschichte und Geschichten, jeder Fluss,
jeder Berg, einfach alles. Diese Vielfalt an Personen, Orten und Geschichten
macht die Welt überaus interessant und lebendig, die manchmal auftretenden
Probleme, Nebenpersonen zuzuordnen, nimmt man gerne in Kauf, wobei man die
Bücher aber möglichst in einem Zuge durchlesen sollte.
Die Handlung
Die Handlung ist sehr komplex, sie wird hier nur
angerissen.
Robert Baratheon reist in den Norden nach
Winterfell, zu seinem alten Freund Eddard Stark, der seine Rechte Hand werden
soll, sein Stellvertreter. Robert und Eddard sind sich aus der Zeit verbunden,
als sie gemeinsam den alten König Aerys II bekämpften, den man den
Irren König nannte. Robert hat damals ein neues Königsgeschlecht
begründet, die Baratheons. Eddard will diese »Ehre« nicht
annehmen, aber sein Pflichtgefühl zwingt ihn dazu. So reist er mit dem
König nach Kings Landing, der Hauptstadt, zusammen mit seinen zwei
Töchtern, Sansa und Arya. Sein Bastardsohn Jon Snow geht zur Nachtwache
auf die Mauer, während sein ältester Sohn Robb Winterfell
übernimmt.
Eddard muss sich in Kings Landing, in den
Intrigen des Hofes zurechtfinden. Er bekommt zweifelhafte Hilfe von Varys dem
Eunuchen und Littlefinger, dem Geldbeschaffer des Hofes. Derweil kümmert
sich Eddards Frau Catalyn um Bran, seinen dritten Sohn, der von einem Turm fiel
und seitdem im Koma liegt. Ein Attentat wird auf Bran verübt und Catelyn
erfährt von ihrer Schwester, dass die vorherige Hand keines
natürlichen Todes gestorben ist. Sie reist per Schiff nach Kings Landing,
um Eddard zu warnen.
Eddard findet heraus, warum die
vorherige Hand sterben musste: Die Söhne des Königs sind blond und
grünäugig, während alle Bastarde Roberts dunkle Haare und blaue
Augen haben. Die Kinder sind nicht von Robert, sondern Cersei, die
Königin, hat sie mit ihrem Bruder Jaime gezeugt. In seinem tiefen Drang
nach Ehre warnt Eddard Cersei, derweil Robert auf der Jagd ist. Eddard plante,
Robert zu informieren und Cersei soll vorher die Chance bekommen, den Hof zu
verlassen. Doch Robert kehrt todkrank von der Jagd zurück, ein Keiler hat
ihn schwer verletzt. Robert stirbt, aber sein Testament, in dem Eddard als
Verwalter eingesetzt wird, erkennt der Rat nicht an, Eddard muss in den Kerker,
derweil Machtkämpfe um den Thron entbrennen. Cersei ruft ihren
zwölfjährigen Sohn Jeoffrey zum König aus und kann dies mit
Gewalt durchsetzen. Eddards Tochter Sansa wird dazu gebracht, auf ihren Vater
einzureden, so dass er Verrat gesteht, daraufhin soll er das Schwarz der Wache
anlegen und gehen dürfen, doch Joeffrey, der Gefallen an der Macht findet,
lässt Eddard töten.
Im Reich entbrennt Krieg, der neue König wird
nicht überall anerkannt. Robert hatte zwei Brüder, Renly und Stannis,
von denen Stannis der ältere ist. Doch überall in Westeros wachsen
Könige wie Pilze aus dem Boden. Robb, der älteste Sohn von Eddard
wird zum König des Nordens ausgerufen, auf den Iron Islands ruft sich ein
König aus und sowohl Stannis als auch Renly wollen die Krone für
sich. Thyrion der Gnom, verkrüppelter Bruder von Jaime, wird die Rechte
Hand und verteidigt Kings Landing. Blutigster Bruderkrieg nimmt seinen Weg und
das, obwohl dem Reich auch Bedrohungen von außen drohen. Die Kriege
können nicht enden, die Ritter sind in Ehre, Schwüren und Hass
gefangen, in ihren Regeln, ihren Rittermechanismen.
Im
Norden regen sich die Wildlinge, Menschen die jenseits der Mauer leben. Doch
auch die Anderen scheinen die Legenden zu verlassen: Tote werden durch magische
Kräfte wiederbelebt. Die Nachtwache startet die größte
Expedition seit Jahrhunderten, um das zu klären. 300 Mann stark zieht eine
Heerschar los, darunter Jon, Eddards Bastard, der um seine Ehre zu behalten und
treu zu sein, zu den Wildlingen überlaufen muss. Winterfell fällt,
Bran wird zu einem Hautling, einem der durch die Augen von Tieren sehen
kann.
Im Osten versucht Daenerys Stormborn mit ihrem
Bruder Viserys eine Armee aufzustellen. Sie ist die letzte Überlebende der
Targyaren, die eigentliche Thronfolgerin nach Aerys. Sie wird von ihrem Bruder
verheiratet, doch der Bruder und ihr Mann sterben, dafür schlüpfen
Drachen aus uralten Dracheneiern, die sie als Mutter ansehen.
Und das
ist die Lage in Westeros am Ende von Band drei: In blutigem, dummen Bruderkrieg
verwickelt wird der Winter ignoriert, wird die Bedrohung durch die Anderen
ignoriert, werden Daenerys und ihre Drachen ignoriert, wird ignoriert, dass die
Magie wieder auf die Welt kommt.
Zwischen Band drei und
Band vier wird es wohl einen mehrjährigen Zeitsprung in der Handlung
geben, sicherlich nicht zuletzt damit die Drachen sich etwas auswachsen
können, so dass jeder der zweifelt, ob es sich lohnt in eine offene Serie
einzusteigen, in den ersten drei Bänden einen abgeschlossenen Bereich
finden wird.
Zu den Hauptpersonen
Die Handlung des Buches wird immer aus der Sicht einer Person
geschildert, allerdings aus der dritten Person, so dass sich eigentlich
parallel erzählte Handlungsstränge ergeben. Die erzählenden
Personen wechseln im Laufe der Zeit, denn einige der Erzähler sterben oder
sind nicht mehr an interessanter Stelle, dafür kommen andere hinzu. Zwei
davon werden hier näher erläutert, sie sollen beispielhaft die Tiefe
und Komplexität der Erzählung und der Figuren aufzeigen, die Martin
ausgearbeitet hat.
Daenerys Stormborn
Das alte Targyarengeschlecht ist mit Aerys II nicht komplett
ausgestorben. Viserys und seine Schwester Daenerys fliehen über die
Meerenge in die Freien Städte und später weiter in den Osten. Viserys
träumt von seiner Rückkehr nach Westeros und davon, dass sich dann
das Volk erheben wird, um ihm auf den Thron zu helfen. Dafür verheiratet
er seine Schwester mit Khal Drogo, einem der großen Stammesführer im
Osten, eher ein Handel, denn Khal Drogo verspricht ihm dafür eine Krone
aus Gold. Daenerys findet sich plötzlich in einer fremden Gesellschaft, in
der sie sich neu zurechtfinden muss. Das gelingt ihr im Gegensatz zu Viserys,
der wie ein König behandelt werden will, das aber nicht ist. Als er in
einer heiligen Stadt der Drothaki ein Schwert gegen Drogo zieht, erhält er
seine Krone: Ein Topf erhitztes Gold wird ihm über den Kopf
gegossen.
Daenerys erkennt das Viserys ein Narr war,
dessen Hoffnungen sich nicht erfüllen können, und sie findet sich
fast mit ihrer Rolle als Frau des mächtigen Khal Drogos ab. Doch dann wird
ein Attentat auf sie verübt, im fernen Westeros bietet man eine Lordschaft
für ihren Kopf. Khal Drogos Zorn erwacht und er fasst den Plan eine Armee
zu sammeln, nach dem Grasmeer auch das giftige Meer aus Wasser zu
überqueren und Westeros zu erobern. Seine Aussichten sind gut, er ist der
Herr über einen mächtigen Stamm und auf seinem Weg Richtung
Süden sammeln sich mehr als 100.000 Krieger um ihn, sein Sohn unter
Daenerys Herzen soll der »Hengst sein, der die Welt besteigt«. Doch
dann wird er verwundet und durch die Ränke einer Zauberin vor dem Tod
bewahrt, doch er vegetiert nur noch zombiegleich dahin. Daenerys, die für
diesen Zauber das Leben ihres ungeborenen Sohnes gab, tötet mit eigener
Hand Khal Drogo, weil sie seinen Zustand nicht erträgt, woraufhin sein
riesiges Heer sich in alle Himmelsrichtungen auflöst. Sie verbrennt den
Khal und die Zauberin gleich mit. In der Hitze des Feuers werden die Steineier,
die sie als Grabbeigabe hinzulegte, ausgebrütet, die Welt hat nun wieder
Drachen.
Mit der Rest des Stammes, der ihr geblieben ist,
zieht sie weiter, um am Ende des dritten Bandes eine Sklavenarmee um sich zu
scharen, die ihr zusammen mit den Drachen die Eroberung von Westeros
ermöglichen soll.
Daenerys ist eine interessante
Figur, weil sie sich ständig weiterentwickelt. Sie ist zuerst der
Spielball ihres Bruders, dann die selbständige Frau an der Seite des
Khals, danach die Mutter, die ihr kleines Restvolk zusammenhält, um
schlussendlich entschlossen nach der Krone eines Landes zu greifen, das sie gar
nicht kennt, weil sie sehr jung war, als sie daraus fliehen musste.
Thyrion Lannister
Er ist der kleine verkrüppelte Bruder von Jaime, dem
wunderschönen Ritter. Das Leben stattete ihn mit einer gehörigen
Portion Zynismus aus und ließ ihn gleichzeitig ein großes Maul
haben – beides Eigenschaften, die ihn im Blick seiner Umgebung nicht
gerade liebenswerter machen. Am Anfang sehen wir ihm im Gefolge von Robert
Baratheon, der Eddard Stark als seine Rechte Hand nach Kings Landing holen
möchte.
Thyrion bleibt länger im Norden, um sich
die Mauer anzusehen, die die Nachtwache bewacht. Auf dem Rückweg trifft er
auf Catelyn Stark, die ihn für den Verantwortlichen des Attentats auf
ihren Sohn Bran hält. Catelyn nimmt ihn gefangen und bringt ihn auf die
Eyrie, die Festung ihrer Schwester, wo er fast schon zum Tode verurteilt ist,
als es ihm gelingt, eine Wendung herbeizuführen. Er fordert ein Duell, was
ihm auch höhnisch gewährt wird, denn er ist kein großer
Kämpfer. Doch er schafft es den Söldner Bronn siegreich für sich
kämpfen zu lassen und so muss ihn Catelyn schließlich
freigeben.
Auf dem Rückweg durch die Mondberge schart
er die dortigen Clans um sich, verwegene, blutgierige Gestalten, die ihm
folgen, weil sie auf Beute und siegreiche Kämpfe hoffen. Er trifft seine
Vater Tywin Lannister, der sich erste Schlachten mit Robb Starks Männern
liefert. Tywin hofft seinen ungeliebten Sohn Thyrion loszuwerden, doch als der
sich zusammen mit seinen Clansmännern in der Schlacht bewährt, wird
Thyrion von ihm als Rechte Hand des jungen Jeoffry
eingesetzt.
Thyrion reist nach Kings Landing und
organisiert die Verteidigung der Stadt gegen die selbst ernannten Könige
Renly und Stannis Baratheon. Dabei schafft er sich wenig Freunde; auf der einen
Seite arbeitet er ständig an den Strukturen der Stadt, um seine Position
zu festigen, auf der anderen Seite hat das Volk nichts zu essen, was ihm als
Hand angelastet wird. Dann kommt der Tag der Schlacht und Thyrion wird schwer
verwundet, durch einen Axthieb im Gesicht verunstaltet. Er liegt wochenlang
schwer verletzt im Bett, und als er endlich aufstehen kann, hat sein Vater die
Position der Hand übernommen und ihm bleibt nichts von dem, was er sich
aufgebaut hat.
Schlussbetrachtung zu »Das Lied von Eis und Feuer«
Welten in Bedrohung ist in der Fantasy seit Tolkien Standard. Ich kann
es nicht mehr hören, wenn die Horden aus dem Norden, Süden, aus den
Toren, aus dem Wasser, aus weiß ich was herausbrechen oder die
»Uralte Gefahr« wieder erstarkt. Das kann zwar wunderbar in Szene
gesetzt werden, wie der Film »Die Gefährten« beweist, aber als
Film ist das neu, das erste Mal das wir das wirklich sehen. Warum ist diese
Thematik in »E&F« aber interessant, warum erscheint mir
persönlich diese Reihe als etwas was mir den »Glauben an die
Fantasy« wiedergibt, woher kommt der ungeheure Spaß beim
Lesen?
Martins Westeros ist personenzentriert und
hält an einer subjektiven Sicht fest. Die jeweilige Erzählperson
weiß nicht immer alles, der Leser weiß oft mehr. Das erzeugt die
Spannung, die Hitchcock in seinen Filmen »Suspense« nannte. Die
Gefahren von außen sind auch da, aber wichtiger sind die Gefahren, die
den Menschen drohen. Jeder seiner Erzählcharaktere ist wichtig, wenn er
erzählt. Seine Sicht der Dinge gewinnt an Bedeutung. Man versteht warum
Thyrion so handelt, wie er es tut. Man mag ihn vielleicht noch immer nicht,
doch wenn er Menschen manipuliert, um seine Position zu festigen, dann kann man
das akzeptieren. Solange Thyrion erzählt ... Wenn Daenerys versucht eine
Armee aufzustellen um Westeros zu erobern, dabei mehrfach über Leichen
geht und die Treue von Leuten ausnutzt, dann wünscht man ihr im Stillen
Glück. Solange Daenerys erzählt ...
Jede der
Erzählcharaktere und viele Nebencharaktere haben eine Geschichte, keine
Figur ist per se gut oder schlecht, keine ist eine Schablone. Jede hat eine
Vergangenheit, hat eigene Träume und Vorstellungen. Diese persönliche
Historie wird nicht dazu benutzt, die jeweiligen Taten zu rechtfertigen. Jaime
ist immer noch der Königsmörder und arrogant über alle
Maßen wenn man erfährt, warum er den König Aerys damals
tötete. Sandor Clegane ist immer noch brutal und eigennützig, wenn
man weiß warum sein Gesicht so verbrannt ist. Kennt man aber die
Geschichte der Person, so versteht man deren Handlungen besser, das führt
so manches mal zu Aha-Erlebnissen und man muss die Geschehnisse von vor zum
Teil 600 Seiten neu werten.
Dazu kommt das einmalige
Erzähltalent Martins. Er hat seine Karriere als Autor von Kurzgeschichten
begonnen und obwohl es sich bei »E&F« um Romane handelt,
zerlegt er die Handlung in kurzgeschichtenartige Teile. Der formelle Aufbau
gliedert die Romane in Kapitel, die fast immer die Merkmale einer
Kurzgeschichte tragen. Viele von ihnen haben Pointen, die meisten kleinere oder
größere Cliffhanger. So finden wir praktisch Kurzgeschichten, die
sich zu langen Erzählungen um die Erzählpersonen verbinden, und diese
Erzählungen wiederum bilden die Romane. Wenn ein Handlungsbereich sich zu
einem der Höhepunkte erhebt, wie die Schlacht um Kings Landing, dann
werden die Kapitel kürzer und betreffen nur noch die Personen, die gerade
an dem Hauptgeschehen beteiligt sind, so dass hier die Handlung entsprechend
straffer vorangetrieben wird als sonst.
Eine weitere
Komponente stellt der Tabubruch an den Regeln der Fantasy dar, den wir immer
wieder finden. »Hauptpersonen sterben nicht, böse Taten werden
gerächt, Ritter sind ritterlich, außer sie sind dunkel«,
solche stillschweigenden Vereinbarungen zwischen Autor und Fantasyleser kennt
jeder. Doch Eddard Stark, eine sympathische Figur die wichtig ist, aufgebaut
über hunderte von Seiten, wird hingerichtet; man stelle sich dazu vor,
Derrick würde in einer beliebigen Folge sterben und Harry löst an
seiner Stelle den Fall. Viserys, der unglückliche Exilkönig von
Westeros, wünscht sich eine Krone aus Gold, die erhält er auch, aber
es ist geschmolzenes Gold, das ihm über den Kopf geschüttet wird. Das
erzeugt Unsicherheit beim Leser und wirkliche Angst beim Lesen. Jeder kann
sterben, keine Figur ist nötig um das Geschehen weiter zu führen,
eben wie im richtigen Leben. So gibt es eine Stelle, wo Arya in einer Scheune
zusammen mit den restlichen Bewohnern eines kleines Dorfes gefangen gehalten
wird. Jeden Tag wird von Gregor Clegane, dem Reitenden Berg, einer
ausgewählt und vom »Kitzler« zu Tode gefoltert. Beim Lesen
beschleunigte sich mein Herzschlag; ich hatte ernsthaft Angst eine solche
Stelle zu finden: »Am sechsten Tag zeigte Cleganes Finger auf
Arya.«
Romantische und heroische Aspekte werden in
vielen Szenen, die ich als »Großen Moment« bezeichnen
möchte, abgedeckt. Das sind die Stellen, die wir lieben, wo eine Person
über sich hinauswächst, ihr wahres Potential selber entdeckt oder
dieses vom Leser entdeckt wird. Wenn Gandalf auf der Brücke gegen den
Balrog antritt, und ihm zuruft: »Du wirst nicht passieren«, dann
ist das ein solcher großer Moment, zu ersten mal wird klar, Gandalf ist
kein kleiner Hinterhofzauberer. An einer Stelle kämpft Syrio, der
»Tanzlehrer« Aryas gegen die Häscher, die Arya gefangen nehmen
sollen. Er zeigt zum ersten mal sein wahres Können, als er mit seinem
Holzübungsschwert fünf Männer der Stadtwache besiegt und dann
gegen den in Stahl gewandeten Ritter der Königswache antritt. Dass wir
später nie wieder von ihm hören und annehmen müssen er ist tot,
mindert den Effekt dieser Stelle nicht, das war sein Großer
Moment.
Was macht nun wirklich »E&F« so
interessant? Viele der hier aufgeführten Eigenschaften der Romane treffen
wir auch in anderen Erzählungen, wenn auch selten so gut und in dieser
Fülle.
Der Pseudohistorische Rahmen macht den
Unterschied aus. Wir sehen über die Schulter von Martin, wenn wir die
Bücher des »Liedes von Eis und Feuer« lesen und blicken mit
ihm in eine andere Welt, können deren Historie verfolgen, die durch seine
Erzählkunst und den Detailgrad wirkt, als wäre sie echt. Er hat die
Fantasy um das erweitert, was die historischen Romane in den letzten Jahren so
erfolgreich gemacht hat: Detaillierte Einblicke in eine Vergangenheit, wie sie
gewesen sein könnte. Nur ist seine Historie deutlich prächtiger als
das, was wir hier auf der Erde finden.
Fiebertraum
»Fiebertraum« ist ein Roman der sich des Themas Vampire
annimmt, einige Jahre nach Anne Rices Erfolg mit »Interview mit einem
Vampir«, der aber durchaus neue Aspekte zeigt.
Die Handlung
Abner Marsh ist ein Flussschiffer, der im Jahre 1875 fast alle Schiffe
seiner Handelslinie verloren hat. Joshua York, ein mysteriöser Gentleman,
macht ihm ein Angebot, das er nicht abschlagen kann: Marsh erhält Geld
für ein neues Schiff und dafür wird York der zweite Kapitän und
Partner von Marsh.
Das Schiff wird gebaut, auf den Namen
Fiebertraum getauft und Abner träumt davon, die Eclipse zu schlagen, das
schnellste Schiff zu jener Zeit auf dem Mississippi. Es ist jene Zeit in der
noch Träume auf dem Fluss existierten, jene Zeit die auch Mark Twain in
seinen Romanen verewigte und sicherlich romantisch überhöhte, wie
auch Martin es hier macht.
Die Vampire sind keine
übernatürlichen Wesen, sie scheuen weder Kreuze noch Weihwasser, sie
gehören viel mehr einer anderen Rasse an, die sich vor vielen tausend
Jahren von den Menschen abgespalten hat. Sie nennen sich selber »Das Volk
der Nacht« und die Menschen nennen sie »Das Vieh«. Sie heilen
übernatürlich schnell, sind stärker als Menschen und Sonnenlicht
bringt sie in wenigen Stunden um.
Joshua York sucht seine
Rassegenossen, um sie vom uralten Fluch des Durstes zu befreien. Er hat eine
Ersatzflüssigkeit entwickelt, die ihnen die Gier nach dem Blut nimmt. Wenn
sie das denn wollen, denn auch Vampire müssen sich
entscheiden.
Die weitere Handlung ist in gewisser Weise
Standard der modernen Vampirromane. Es gibt einen uralten Widersacher, Damon
Julian, es gibt Machtkämpfe in der »Familie« und der Mensch
Abner Marsh deckt nach und nach die Geheimnisse auf.
Nicht
Standard sind einige Handlungselemente wie z.B. ein Dinner das York im
Sonnenlicht einnimmt, um die Mannschaft davon zu überzeugen, dass er kein
Vampir ist. Er büßt dafür mit einem gewaltigen
Sonnenbrand.
Schlussbetrachtung zu »Fiebertraum«
Der Roman ist gut lesbar und spannend, er bietet eine interessante
Variante zum Vampirthema, gewürzt mit der romantischen Flussschifffahrt
der Raddampfer. Es sind einige typische modische Elemente der Entstehungszeit
enthalten, so z.B. der gute alte Lord Byron und seine
Gedichte.
»Fiebertraum« hat einige Elemente,
die wir später in »E&F« wiederfinden. So werden ziemlich
viele Namen genannt, auch die der unwichtigen Mannschaftsmitglieder. Weiterhin
wird ein einige Male die Erzählperspektive gewechselt, wenn auch nur kurz.
Und es ist ein historischer Roman, angereichert mit phantastischen Elementen
– die Umkehr von »E&F«, dort finden wir einen
phantastischen Roman angereichert mit historischen Elementen.
Die Kurzgeschichten
Mit den Kurzgeschichten begann die Karriere von Martin, sie stellten
sozusagen das Übungsfeld dar, auf dem er seinen Fähigkeiten
entwickelte. Er hat die Fähigkeit, in den 20 bis 50 Seiten, die für
die Short-Story zur Verfügung stehen, eine glaubhafte Welt aufzubauen und
einige seiner Geschichten sind herausragend, keine langweilt. Damit liegt er
weit über dem Durchschnitt der Storyschreiber, wenn er auch nicht ganz an
James Tiptree jr. herankommt. Oft findet man tragische und romantische
Elemente, Außerirdische werden ausgerottet, Menschen vom Schicksal
gebrochen, Außenposten stehen geheimnisvollen Bedrohungen entgegen,
uralte Menschennachkömmlinge unter einer sterbende Sonne warten auf den
Tod. Als Leser erwartet man of »die Lösung« in der Handlung,
wird aber meist enttäuscht; das zeigt die Geschichten als Vorläufer
der »Eis und Feuer« Romane.
Etliche seiner
Stories spielen in einem gemeinsamen Universum, in dem auch der Roman
»Die Flamme erlischt« spielt. Dort sind die Menschen nur eine Rasse
unter vielen und stehen in harter Konkurrenz bei der Besiedelung der Welten.
Romantische Auflockerung erhält dies durch den Drang die »Inneren
Welten« (näher am Milchstraßenzentrum) zu erreichen und durch
die »langsame« überlichtschnelle Raumfahrt, in der Reisen z.T.
Jahre dauern. Martin verfällt glücklicherweise nicht der Verlockung,
dieses gemeinsame Universum zum Selbstzweck zu machen. Er nutzt es nur, um
nicht jedes Mal wieder neue »weit entfernte Welten«, Mythen und
Legenden der frühen Raumfahrt und andere Völker zu erfinden. Damit
hat man als Leser genug Basisidentifikation; Martin bewegt sich aber zeitlich
und räumlich völlig frei darin, verwendet den Rahmen nur, so scheint
es, um Arbeit zu sparen.
Die Storysammlungen von Martin
sind heute nur noch im Antiquariat erhältlich, aber es lohnt sich, sie zu
kaufen, wenn man sie aufstöbert. Und vielleicht macht der Erfolg von
»E&F« die Neuherausgabe für einen Verlag interessant
(zumal erst drei von sieben Kurzgeschichtensammlungen in deutsch erschienen
sind).
Einige ausgesuchte Stories
Sandkönige
Diese Story war sehr erfolgreich, sie gewann 1979 sowohl den Hugo als
auch den Nebula im Bereich Novelette und wurde für das Fernsehen verfilmt.
Sie erzählt wie Simon Kress, ein reicher Müßiggänger, sich
aus Langeweile bei der seltsamen Händlerin Jala Wo etwas neues kauft:
insektenhafte Staatenwesen, die er in einem alten Aquarium ansiedelt. Diese
Insektenähnlichen, genannt Sandkönige, sind ungewöhnliche
Lebewesen, erzählt ihm die Händlerin, sie passen sich in ihrer
Größe der Umgebung an, haben ein erstaunliche hoch entwickeltes
Gemeinschaftsgehirn und sie führen Krieg gegeneinander. Das, und die
Tatsache, das sie auf ihren Burgen das Gesicht abbilden, das man ihnen per
Hologramm zeigt, überzeugt ihn. Er wollte schon immer gerne Gott
sein.
Simon spielt mit den Sandkönigen, verweigert
ihnen die Nahrung, um sie zum Kämpfen zu bringen, zeigt ihnen zeitgleich
ein Hologramm seines Gesichtes, um ihr Gott zu werden. Dann lädt er seine
Freunde ein, präsentiert ihnen sein neues Spielzeug und startet eine Serie
von Arenaspielen, in denen mitgebrachte Tiere gegen die Armee der
Sandkönige antreten.
Die Lage eskaliert, als er mit
Cath'm Lane Streit bekommt, die seine Arenaspiele jenseits jeden guten
Geschmacks findet. Dabei tötet er Cath'm und das Aquarium wird
zerstört, so dass sich die Sandkönige befreien können. Drei der
vier Stämme nisten sich im Haus und in dessen Nähe ein. Die mobilen
Einheiten der Sandkönige wachsen und Simon wird klar, dass er ein
tödliches Problem hat. Es entbrennt ein Kampf zwischen Mensch und
heranwachsender Sandkönigsintelligenz, in dessen Verlauf zwei der vier
Stämme vernichtet werden und Simon von der Maw der Sandkönige mental
gezwungen wird, andere Menschen als Futter anzulocken.
Am
Ende verpuppen sich die Mobilen des dritten Stammes und Simon kann fliehen. Er
ruft bei der Händlerin Jala Wo um Hilfe an, und sie erklärt ihm das
die Sandkönige sich in die Erwachsenenform wandeln, in der sie der Umwelt
optimal angepasst sein werden, immer ein Produkt dessen, was sie in der
Jugendphase erlebt haben. Er flieht in die Wüste und wartet auf Jala Wo,
die ihn abholen will. Dort wird er ein Opfer des vierten Stammes, dessen
Erwachsenenform sein Gesicht trägt.
Die Spannung der
Geschichte erwächst auf zwei Ebenen. Einmal ist da der Kampf gegen die
Mobilen der Sandkönige und gegen deren Maw, die mit ihren erwachenden
Mentalkräften verhindert, das Simon fliehen kann. Sie können sich
unglaublich variabel anpassen und erweisen sich am Ende als intelligent. Dieser
Kampf ist spannend, es gibt diverse überraschende Wendungen, und als Leser
schwankt man zwischen der Hoffnung, Simon können sich retten und der
Schadenfreude für ihn, denn er hat die Sandkönige wirklich nicht gut
behandelt.
Aber dann ist da die zweite Ebene. Simon
versucht sich als Gott. Er quält die Könige nach seinem Belieben,
füttert sie nach seinem Belieben und spielt seine Arenaspiele mit ihnen.
Dann entgleitet ihm »seine Schöpfung«, und am Ende wird er von
ihr getötet, muss erleben, wie ihn die Mobilen des vierten Stammes,
ausgestattet mit seinem Gesicht, in ihren Bau schleppen.
Ein Lied für Lya
Die Shkeen, eine uralte Rasse, die aber nie die Raumfahrt entwickelt
hat, sind auf besondere Weise religiös. Sie setzen sich im Alter einen
Parasiten auf den Kopf, der dort einige Jahre wächst, und lassen sich
danach von der riesigen schleimigen Elternform des Parasiten bei lebendigem
Leibe auffressen. Das wäre nur als Kuriosum interessant, würden nicht
Menschen zu dieser Religion übertreten, und zwar mit allen
Konsequenzen.
Ein Mutantenpaar wird angefordert um diesen
Fall näher zu untersuchen. Sie, Lyanna, genannt Lya, ist Telepathin, er,
Robb, ist Empath. Bei den Untersuchungen lernen sie die Stadt kennen und haben
auch Gelegenheit, sowohl Shkeen als auch Menschen zu »lesen«, die
sich im Prozess des Gebundenen befinden, die Vorstufe mit dem Parasiten auf dem
Kopf.
Sie stellen fest, dass sich die Gebundenen in einer
unglaublichen Weise gut fühlen und von Liebe zu allem erfüllt sind.
Lya ist von dem was sie liest tief beeindruckt und erschüttert. Sie und
Robb hielten sich immer für weniger einsam, für stärker
verbunden als der Rest der Menschheit, weil sie sich mit ihren Kräften im
Inneren berühren können. Doch sie muss feststellen, dass sie nicht
wirklich besser dran sind, denn diese Verbundenheit ist nur vorhanden, wenn sie
Sex haben, danach sind sie wieder allein wie alle anderen. Und das ist der
weitaus größte Teil des Lebens. Doch die Gebundenen treten beim
Gefressenwerden in eine dauerhafte Verbindung mit allen anderen Shkeen ein die
jemals in den Parasiten eingegangen sind, sie sind niemals wieder alleine und
in dieser Form unsterblich.
Lyanna entscheidet sich
dafür, gefressen zu werden, Robb hat Angst und folgt ihr nicht, auch wenn
er ihr glaubt. Er will sich nicht mit diesem Gott vereinigen, der die Form
eines rosa schleimigen Gallertklumpens hat.
Die Geschichte
ist religiös, (ein) Gott wird gefunden, aber nicht in der Form, wie wir
ihn vielleicht erwarten, wie wir ihn akzeptieren können. Robb wählt
die Einsamkeit, teilt sie für den Rest seines Lebens mit allen anderen
Menschen, hofft vielleicht auf eine andere, menschlichere Form der
Unsterblichkeit, weiß dabei aber dass er Lyanna und im Grunde auch sich
selber verrät.
Der Leser bleibt nach dem Lesen
nachdenklich und mit sich selbst alleine.
Die Nacht der Vampire
Beim Nachlesen der Story hat mich Beklemmung ergriffen, zu nahe liegt
sie an der (möglichen) Realität, obwohl sie von 1975
stammt.
Eine Terroristengruppe hat Atombomber sowie
Begleitjäger entführt und steuert sie gegen Washington, um dort
Wasserstoffbomben abzuwerfen. Die im Titel benannten Vampire sind neuartige
Jagdflugzeuge, von denen eine Staffel die Verfolgung aufnimmt. Die Handlung
springt zwischen einem der Vampir-Piloten (der im wesentlichen zwischen Angst
und Pflichtgefühl schwankt) und der allgemeinen Lage hin und
her.
Diese vielleicht spannende aber nicht originelle
Ausgangssituation wandelt sich nach kurzer Zeit. Der Präsident der USA
ruft zu einem Kampf gegen den Terrorismus auf und nutzt die Gunst der Stunde,
um seinen stärksten Gegner zu stürzen und um weitreichende
gesetzliche Maßnahmen vorzunehmen, die die Freiheit des einzelnen
zugunsten des Staates beschneiden. Es wird für den Leser deutlich, dass
der Überfall nicht echt war (es gibt kein Täterbekenntnis der
terroristischen Gruppe, die Männer, die den Überfall begangen haben,
werden ohne Identifikation begraben etc.), zumal es um Washington eine starke
Laserverteidigung gibt (SDI vorhergesehen), die Bomber also keine Chance haben.
Der Präsident hat diese Krise inszeniert, um seine politischen Gegner zu
vernichten und seine Position zu stärken, bis hin zur diktatorischen
Machtübernahme und der endgültigen Unterdrückung der
Meinungsfreiheit.
In Anbetracht der heutigen Weltlage, die
auf eine »freiwillige« Überwachung jeden Bürgers
zusteuert und wo sich Staaten entscheiden müssen, ob sie zur »Linie
des Bösen« (was liest Bush abends?) gehören oder sich
»bedingungslos solidarisch« erklären, erfasste mich ein
starkes Unbehagen beim Lesen.
Schlussbetrachtung zum Werk
Das Werk von George R. R. Martin zeichnet sich durch einen starken
Wechsel und durch eine permanente Veränderung aus. Im Laufe der Zeit hat
er die meisten phantastischen Genres »probiert«: die SF, den
Horror, die Fantasy. Man weiß auch nicht, ob er nach dem Erfolg von
»E&F« nicht wieder wechselt, ich persönlich würde mir
von ihm ein SF-Epos in der Welt von »Die Flamme erlischt« (in dem
auch diverse Kurzgeschichten spielen) wünschen. Er ist immer auch ein
humaner Autor, auch wenn er mit vielen Figuren nicht human umgeht, aber immer
wieder finden sich sehr menschliche Ausführungen und Gedanken ohne
erhobenen Zeigefinger.
Die Spannung, die Erzählkunst
und die wie mit leichter Hand hingeworfenen Detailfülle, zusammen mit
Romantik und Menschlichkeit im Werk, machen ihn zu einem der lesenswertesten
Autoren der Phantastik der Gegenwart.
Anhänge
Biografie
George R.R. Martin wurde als Sohn eines Hafenarbeiters 1948 in Bayonne,
New Jersey geboren, er hat zwei Schwestern. Schon auf der High School hat er
»Monster Stories« an die Kinder der Nachbarschaft verkauft und mit
dramatischer Stimme vorgetragen. Seine erste professionell verkaufte Geschichte
war »The Hero«, 1971, da war er 21 Jahre alt. Er beendete ein
Studium im Bereich Journalismus. Später unterrichtete er Journalismus,
richtete Schachturniere aus und schrieb halbtags SF. Er heiratete 1975 Gale
Burnick, doch die Ehe dauerte nur bis 1979 und blieb kinderlos; 1979 wurde er
auch Vollzeitschreiber. 1986 bis 1995 widmete er dem Bereich Dramaturgie im
Fernsehen durch Mitarbeit an »Twilight Zone« und »The Beauty
and the Beast«, erst als Ideenlieferant, später auch als Produzent.
Heute lebt er in Santa Fe, New Mexico. Er gehört der »SF &
Fantasy Writers of America« und der »Writers' Guild of America,
West«. Die letzen Jahre hat er sich mit großem Erfolg der Langform
der Fantasy gewidmet.
Bibliografie und gewonnene Preise
Das Werk von Martin erscheint im ersten Moment eher schmal, aber das
täuscht. Einerseits sind lange nicht alle Werke in Deutsch erschienen,
wobei ich persönlich besonders die Kurzgeschichten vermisse. Andererseits
hat er einige Zeit mit Fernsehserien und Drehbüchern zugebracht, das
entgeht auch leicht der Aufmerksamkeit. Das gerade von den Drehbüchern die
meisten nicht realisiert wurden, heißt übrigens nicht, das sie
schlecht sind, es ist durchaus normal Drehbücher nicht zu
umzusetzen.
Es ist nicht leicht, eine komplette deutsche
Bibliografie zu erstellen, da einige seiner Stories als einzelne Geschichte in
Sammlungen erschienen sind, die sich nicht in meinem Besitz befinden. Auf die
Aufzählung mir bekannter Einzelstories in deutsch wurde daher hier
verzichtet, um die Aufstellung nicht zu lang und unübersichtlich zu
machen. Eine ziemlich komplette Übersicht der englischen Erscheinungen ist
auf Martins eigener Website vorhanden, allerdings sind auch dort nicht die
Einzeltitel der Storysammlungen aufgeführt und auch keine
Einzelveröffentlichungen. So lässt sich leider nicht ohne weiteres
feststellen, ob in den deutschen Ausgaben Stories fehlen, was aber zu erwarten
ist und in der Zeit üblich war, als die Bücher in Deutschland
aufgelegt wurden.
Romane und Kurzgeschichtenbände
Jahr | Art | Originaltitel | Deutscher Titel (Jahr) | Anmerkungen |
---|---|---|---|---|
1976 | Kurzgeschichtensammlung | A Song for Lya and Other Stories | Die zweite Stufe der Einsamkeit | Hugo Award, 1974 Novella für »A Song for Lya« |
1977 | Roman | Dying of the Light | Die Flamme erlischt | |
1977 | Kurzgeschichtensammlung | Songs of Stars and Shadows | Lieder von Sternen und Schatten | |
1981 | Roman | Windhaven | Kinder der Stürme | Mit Lisa Tuttle. Im Deutschen in zwei Bänden. |
1981 | Kurzgeschichtensammlung | Sandkings | Im Haus des Wurms Sandkönige | Im Deutschen in zwei Bänden. 1995 wurde die Story Sandkings
als 2-stündiger Fernsehfilm verfilmt. Nebula Award, 1979 Novelette: »Sandkings« Hugo Award, 1979 Novelette: »Sandkings« Hugo Award, 1979 Short Story: »The Way of Cross & Dragon« |
1982 | Roman | Fevre Dream | Fiebertraum | |
1983 | Roman | The Armageddon Rag | Armageddon Rock | Balrog Award, 1983 Fantasy Novel |
1983 | Kurzgeschichtensammlung | Songs the Dead Men Sing | Gigamesh (Spanish) Award, 1987: Best Collection / Anthology: Songs the Dead Men Sing | |
1985 | Kurzgeschichtensammlung | Nightflyers | ||
1986 | Kurzgeschichtensammlung | Tuf Voyaging | ||
1987 | Kurzgeschichtensammlung | Portraits of His Children | Nebula Award, 1985 Novelette: »Portraits of His Children« | |
1990 | Roman | Dead Man's Hand | Mit John J. Miller | |
1996 | Roman | A Game of Thrones | Die Herren von Winterfell Das Erbe von Winterfell | »E&F« 1 Im Deutschen in zwei Bänden. |
1999 | Roman | A Clash of Kings | Der Thron der sieben Königreiche Die Saat des goldenen Löwen | »E&F« 2 Im Deutschen in zwei Bänden. |
2000 | Roman | A Storm of Swords | Sturm der Schwerter Die Königin der Drachen | »E&F« 3 Im Deutschen in zwei Bänden. |
2002 | Roman | A Feast for Crows | ? | »E&F« 4 |
2004 | Roman | A Dance for Dragons | ? | »E&F« 5 |
Drehbücher,
Produktionsarbeiten und Editionen
Jahr | Art | Originaltitel | Anmerkungen |
---|---|---|---|
1977 - 1986 | Edition | New Voices I – IV und andere | Zusammenstellung von Storysammlungen |
1987 – 1995 | Edition | Wild Cards I - XV | Edition einer Shared World, teilweise eigene Stories, in den USA
teilweise in Neuauflage. Daedelus Award 1987 |
1986 | Fernsehspiel | 5 Episoden für »Twilight Zone« | |
1987 - 1990 | Fernsehspiel | 13 Episoden für »Beauty and the Beast« | |
- Nightflyers - Remembering Melody | Verfilmt, stammen wohl aus einer der nicht in Deutschland erschienen Kurzgeschichtensammlung | ||
1991 | Pilotfilm | Doorways | Pilotfilm für eine ABC Fernsehserie, auch auf Video erschienen. |
1987 - 1994 | Fernsehspiel | 5 Folgen, diverse Serien | Geplante aber nicht produzierte Fernsehspiele |
1990 - 1995 | Drehbücher | 3 Drehbücher | Keines davon wurde umgesetzt. |
Zu den in der Tabelle genannten Preisen kommen noch etliche andere, die
ich nicht zuordnen kann, z.B. den Hugo für eine Kurzgeschichte, die nicht
in Deutschland erschienen ist. Mit »A Storm of Swords« hat er
leider den Hugo in 1999 gegen »Harry Potter and the Goblet of Fire«
verloren.
Seine Werke sind in Deutsch, Französisch,
Italienisch, Spanisch, Schwedisch, Holländisch, Japanisch, Portugiesisch,
Kroatisch, Russisch, Polnisch, Ungarisch, Finnisch und Esperanto erschienen,
weitere Übersetzungen der »E&F«-Romane in andere Sprachen
sind geplant, ebenso Neuauflagen seiner anderen Bücher. Ob Neuauflagen
auch in Deutschland geplant sind, ist leider nicht bekannt.
Internetquellen
Seine eigene Website: Biografische und Bibliografische Daten, Links auf Interviews mit ihm, News über die aktuellen Bücher, was er gerade liest, welche Preise er gewonnen hat, T-Shirt Bestellmöglichkeiten und diverse Links zu Fanseiten.
Fansite: Organisiert den Webring »A Ring of Ice and Fire«, der momentan ca. 10 Sites miteinander verbindet, News, eine Sammlung mit allem möglichen zu der Fantasy-Saga.